Der Tag, der die Welt veränderte, als historischer Live-Blog.
Gian Andrea Marti, Esthy Rüdiger (Text), Anja Lemcke (Grafik)
New York am Morgen des 11.Septembers 2001. Es ist ein sonniger Dienstag. In der Stadt ist Wahltag: Unter anderem finden Primaries (Vorwahlen) zur Bürgermeisterwahl statt. Für die Nachfolge des amtierenden Bürgermeisters Rudy Giuliani stellt sich ein bis dato kaum bekannter Milliardär namens Mike Bloomberg zur Wahl. Es wäre sein erstes politisches Amt. Die Wahllokale werden um 6 Uhr ihre Türen öffnen.
George W.Bush ist seit acht Monaten Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Dick Cheney ist sein Vize. Bushs Tagesprogramm an diesem 11.September ist eigentlich unspektakulär: Er will eine neue Bildungsinitiative vorstellen und besucht deshalb eine Grundschule in der Kleinstadt Sarasota, Florida.
Im World Trade Center in New York, einem Bürokomplex im Finanzdistrikt an der Südspitze von Lower Manhattan, steht ein gewöhnlicher Arbeitstag an. Das WTC besteht aus sieben Bauten. Weltberühmt sind seine beiden Zwillingstürme: Die beiden höchsten Gebäude New Yorks, der Nordturm (WTC 1) und der Südturm (WTC 2), prägen mit einer Höhe von 417 Metern und 415 Metern die Skyline der Stadt. Etwa 50000 Menschen in 430 Unternehmen werden im WTC-Komplex in den nächsten Stunden die Arbeit aufnehmen. Hinzu kommen täglich etwa 140000 Besucher.
Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass dieser 11.September der prägendste Tag von George W. Bushs Präsidentschaft sein wird – und nicht nur die USA, sondern auch die Welt verändern wird.
In einem historischen Live-Blog zeichnen wir die ereignisreichen Stunden nach: mit einer Timeline, die sich an der Zeit und dem Geschehen in New York orientiert, mit Fakten und Erkenntnissen aus 20 Jahren Aufarbeitung und mit den technischen Mitteln, die uns im Jahr 2021 zur Verfügung stehen.
Das Wichtigste in Kürze:
- 8.46 Uhr: Der Flug AA 11 schlägt in den Nordturm des World Trade Center in New York City ein.
- 9.03 Uhr: Der Flug UA 175 schlägt in den Südturm des World Trade Center in New York City ein.
- 9.37 Uhr: Der Flug AA 77 kracht ins Pentagon bei Washington.
- 9.59 Uhr: Der Südturm des World Trade Center stürzt ein.
- 10.03 Uhr: DerFlug UA 93 stürzt in Pennsylvania ab.
- 10.28 Uhr: Der Nordturm des World Trade Center stürzt ein.
- 17.20 Uhr: Das Gebäude 7 des World Trade Center stürzt ein.
05.45 Uhr (New York), 11.45 Uhr (Zürich)
Zwei Anhänger des islamistischen Terrornetzwerks al-Kaida, Mohammed Atta und Abdelaziz al-Omari, gehen durch die Sicherheitskontrolle am Portland International Airport in Maine. Attas Gepäck wird zurückgehalten, weil das automatische System zur Erkennung gewisser Verdachtsmomente (Capps) eine nochmalige Überprüfung empfiehlt. Dennoch darf Atta passieren.
Die Terroristen gehen an Bord eines Flugs nach Boston. Dort steigen sie später auf den American-Airlines-Flug 11 um, wo drei weitere Entführer zu Atta und al-Omari stossen werden.
06.52 Uhr (New York), 12.52 Uhr (Zürich)
Der Entführer Mohammed Atta telefoniert zum letzten Mal mit Marwan al-Shehhi, der später als Pilot den Flug United Airlines 175 in den Südturm des World Trade Center steuern wird. Sie bestätigen sich gegenseitig, dass alles nach Plan verlaufe.
Lesen Sie hier unseren Hintergrund zu den Attentätern und wie sie vorgingen.
07.15 Uhr (New York), 13.15 Uhr (Zürich)
Die fünf Terroristen, die später den American-Airlines-Flug 77 entführen und ins Pentagon steuern sollen, werden von einer Überwachungskamera gefilmt, als sie durch die Sicherheitskontrolle am Washington Dulles International Airport gehen. Drei von ihnen lösen einen Alarm bei den Metalldetektoren aus. Das Sicherheitspersonal durchsucht sie. Da keine Waffen gefunden werden, dürfen die späteren Attentäter passieren.
Doch die drei Männer sind alles andere als unbewaffnet: Am Körper und im Handgepäck haben sie Teppichmesser versteckt. Messer sind zu diesem Zeitpunkt in Flugzeugen noch erlaubt, wenn die Klinge weniger als 10 Zentimeter lang ist. Flughäfen sind ausserdem noch nicht verpflichtet, Sicherheitskontrollen auf Video aufzunehmen.
07.59 Uhr (New York), 13.59 Uhr (Zürich)
Der American-Airlines-Flug 11 startet mit 14 Minuten Verspätung in Boston. Das planmässige Ziel des Flugs: Los Angeles. Das Ziel der Terroristen ist jedoch ein anderes: das World Trade Center in New York.
Der American-Airlines-Flug 11
Es befinden sich 92 Personen an Bord. Das Flugzeug ist nur zu 58 Prozent ausgelastet: Platz hätten bis zu 158 Passagiere. Die Terroristen verteilen sich auf die Business-Klasse und auf die erste Klasse.
Auch zwei prominente Personen hätten im Flugzeug sitzen sollen, das später in den Nordturm des World Trade Center fliegen wird: Der Family-Guy-Erfinder Seth MacFarlane sowie der Schauspieler Mark Wahlberg und dessen Familie sind im Besitz von Tickets. Doch es kommt anders: MacFarlane kommt verspätet am Flughafen an und verpasst den Flug, Wahlberg entscheidet sich noch am Flughafen, stattdessen an ein Filmfestival in Toronto zu fliegen, und bucht um.
08.14 Uhr (New York), 14.14 Uhr (Zürich)
Die Terroristen nehmen den Flug AA 11 unter ihre Kontrolle. Der Fluglotse in Boston weist die Piloten an, von 26000 auf 35000 Fuss Höhe aufzusteigen. Die Anweisung bleibt unbeantwortet. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Entführung bereits eingesetzt hat. Sieben Minuten später wird im co*ckpit der Transponder ausgeschaltet.
08.14 Uhr (New York), 14.14 Uhr (Zürich)
Der United-Airlines-Flug 175 startet in Boston mit 14 Minuten Verspätung. Auch sein Ziel ist Los Angeles.
Der United-Airlines-Flug 175
Das Flugzeug ist nur zu 33 Prozent ausgelastet. Es befinden sich 65 Personen an Bord. 30 Minuten nach dem Start werden die Terroristen die Maschine in ihre Gewalt bringen. Das Ziel ihres Anschlags: der Südturm des World Trade Center.
08.19 Uhr (New York), 14.19 Uhr (Zürich)
Im bereits entführten Flug AA 11, der Kurs auf den Nordturm des World Trade Center nimmt, alarmiert die Flugbegleiterin Betty Ong via Telefon das Bodenpersonal. Sie berichtet, dass eine Entführung im Gange sei: Das co*ckpit sei nicht mehr erreichbar. Während des Telefonats schildert sie die Vorgänge detailliert. Ihr gelingt es, die Sitznummern der Entführer mitzuteilen. Der Anruf der Flugbegleiterin dauert insgesamt rund 25 Minuten. Er wird aufgezeichnet – wegen der Begrenzung des Aufnahmesystems allerdings nur die ersten vier Minuten.
Youtube
Kurz zuvor hat einer der Terroristen den Passagier Daniel Lewin getötet, der vor ihm in der ersten Klasse sass. Lewin ist mutmasslich das erste Todesopfer der Anschläge. Im Abschlussbericht der Untersuchungskommission zu den Anschlägen wird spekuliert, der ehemalige Offizier Lewin habe möglicherweise versucht, die Entführer aufzuhalten. Laut der Flugbegleiterin Betty Ong sind zu diesem Zeitpunkt auch zwei Flugbegleiterinnen erstochen worden.
Die Behörden von American Airlines leiten die Informationen von Ong umgehend an ihre Betriebszentrale in Texas weiter.
08.20 Uhr (New York), 14.20 Uhr (Zürich)
Der American-Airlines-Flug 77 (AA 77) startet in Washington DC, mit zehn Minuten Verspätung. Auch hier ist das planmässige Ziel Los Angeles.
Der American-Airlines-Flug 77
Das Flugzeug ist nur zu 33 Prozent ausgelastet. Es befinden sich 64 Menschen an Bord. Kapazität hätte die Maschine für 188 Passagiere. Das Ziel der Terroristen: das Pentagon in Washington.
08.24 Uhr (New York), 14.24 Uhr (Zürich)
Auf dem entführten American-Airlines-Flug 11, der Kurs auf den Nordturm des World Trade Center nimmt, versucht der Attentäter Mohammed Atta per Durchsage mit den Passagieren an Bord zu kommunizieren. Als er sie dazu auffordern will, Ruhe zu bewahren, drückt er den falschen Knopf und kontaktiert unwissentlich die Fluglotsen der Bodenkontrolle. Auf den Aufnahmen, die später veröffentlicht werden, ist zu hören:
«We have some planes. Just stay quiet, and you will be okay.» («Wir haben Flugzeuge. Bleiben Sie ruhig, und es wird Ihnen gut gehen.»)
Kurze Zeit später sendet Atta erneut eine unbeabsichtigte Übertragung an die Bodenkontrolle, in der er die Passagiere auffordert, ruhig zu bleiben und sich nicht zu bewegen, um sich und das Flugzeug nicht in Gefahr zu bringen.
Drei Übertragungen von Atta werden von der Bodenkontrolle registriert, welche umgehend die Bundesluftfahrtbehörde (FAA) alarmiert.
08.30 Uhr (New York), 14.30 Uhr (Zürich)
Im World-Trade-Center-Komplex in New York beginnt der Arbeitstag. Die Büros in den Zwillingstürmen sind erst zu einem Drittel mit Angestellten besetzt. Die Aussichtsplattform auf dem Dach des Südturms, die täglich viele Besucher anzieht, ist noch nicht geöffnet. Im Restaurant Windows on the World, das im 106.Stock des Nordturms liegt, haben sich rund 80 Personen zu einer Konferenz für Finanztechnologie versammelt. 72 Restaurantmitarbeiter sind bereits zuvor für den Frühstücksservice und die Konferenzvorbereitungen eingetroffen.
08.37 Uhr (New York), 14.37 Uhr (Zürich)
Die Bundesluftfahrtbehörde (FAA) erreicht nach den alarmierenden Tonaufnahmen aus dem Flug 11 die zuständige Stelle der Air Force, den North East Air Defense Sector (Neads). Die FAA berichtet von der mutmasslichen Entführung und bittet darum, Kampfflugzeuge loszuschicken.
«Ist das ‹echte Welt› oder eine Übung?», fragt der ungläubige Offizier des Neads. Die FAA bekräftigt, dass es sich weder um einen Test noch um eine Übung handle. Sechs Minuten später schickt das Militär F-15-Kampfjets los.
08.42 Uhr (New York), 14.42 Uhr (Zürich)
Der United-Airlines-Flug 93 startet in Newark mit einer Verspätung von 42 Minuten in Richtung San Francisco.
Der United-Airlines-Flug 93
Das Flugzeug ist nur zu 20 Prozent ausgelastet. 44 Personen befinden sich an Bord, es hätten 182 Passagiere Platz. Das Ziel der vier Terroristen an Bord ist nicht sicher. Es sollte der einzige entführte Flug werden, in dem sich die Passagiere zur Wehr setzen und noch Schlimmeres verhindern würden. Die offizielle Untersuchung wird gestützt auf Aussagen mancher Kaida-Mitglieder zum Schluss kommen, dass das Capitol das wahrscheinliche Anschlagsziel war. Der Kaida-Chef Usama bin Ladin soll zwar zu einem Angriff auf das Weisse Haus gedrängt haben, doch Atta habe dies flugtechnisch für zu schwierig gehalten.
08.46 Uhr (New York), 14.46 Uhr (Zürich)
Mohammed Atta, der Pilot des American-Airlines-Flug 11, steuert das Flugzeug in den Nordturm des World Trade Center. Zum Zeitpunkt des Aufpralls beträgt die Geschwindigkeit des Flugzeugs etwa 750 Kilometer pro Stunde. Das Flugzeug reisst ein riesiges Loch in die nördliche Fassade des WTC 1 zwischen Stock 93 und 99, die Explosionsflammen sind von allen vier Seiten zu sehen.
Alle Insassen im Flugzeug und wahrscheinlich Hunderte Personen in den getroffenen Stockwerken sind auf der Stelle tot. Der Crash in den Nordturm erfolgt nur 40 Sekunden nachdem das Militär Kampfjets in Richtung Flug AA 11 losgeschickt hat. Noch gehen die Beobachter und die Weltöffentlichkeit von einem Unfall aus.
Youtube
Von dem unerwarteten Einschlag im Nordturm existieren nur drei Videoaufnahmen: jene von einem Dokumentarfilmer, der den Alltag der New Yorker Feuerwehr begleitete, eine Zufallsaufnahme als Teil eines Kunstprojekts sowie eine Webcam-Aufnahme, wobei die beiden Letztgenannten unscharf sind und der Einschlag aufgrund des Winkels nicht sichtbar ist.
Es sind Dokumente aus einer Zeit, in der noch nicht jeder Passant eine portable Kamera auf sich trägt: Das erste Handy mit einer integrierten Kamera (und 0,3 Megapixeln) wird den amerikanischen Markt erst ein Jahr später erreichen.
08.46 Uhr (New York), 14.46 Uhr (Zürich)
Unmittelbar nach dem Einschlag schickt die New Yorker Notrufzentrale Polizisten, Sanitäter und Feuerwehrleute zum Nordturm. Auch der Bataillon-Chef Joseph Pfeifer, der den Einschlag nur 14 Blocks entfernt beobachtet hat, sendet mehrere Notrufe zur Entsendung der New Yorker Feuerwehr ab
Das Port Authority Police Department, das neben regionalen Brücken, Tunneln, Flughäfen und dem Hafen auch für die Sicherheit des World Trade Center verantwortlich ist, mobilisiert ebenfalls seine Einsatzkräfte und zusätzliche Einheiten. Es schickt sie zum World Trade Center, um bei der Evakuierung und Rettung zu helfen.
08.48 Uhr (New York), 14.48 Uhr (Zürich)
Der amerikanische Fernsehsender WNYW beginnt als erster TV-Sender mit der Live-Berichterstattung über die Ereignisse in New York – nur 1 Minute und 28 Sekunden nach dem Einschlag. Die ersten Worte des Reporters:
«... just a few moments ago, something believed to be a plane crashed into the South Tower of the World Trade Center.» («Vor ein paar Augenblicken ist etwas, wahrscheinlich ein Flugzeug, in den Südturm des World Trade Center gekracht.» Anmerkung der Redaktion: Nicht der Südturm, sondern der Nordturm war getroffen worden.)
Youtube
Nach und nach berichten immer mehr Fernsehsender und Radiostationen über die Ereignisse. Millionen von Menschen weltweit verfolgen die Geschehnisse live am Fernsehen oder im Radio mit. Auch die damals noch in den Kinderschuhen steckenden Online-Newsportale nehmen die Berichterstattung auf.
08.50 Uhr (New York), 14.50 Uhr (Zürich)
Präsident George W.Bush besucht an jenem Tag eine Grundschule in der Kleinstadt Sarasota, Florida. Bei seiner Ankunft sollen die Leute vor Ort bereits aufgeregt von einem Flugzeug erzählt haben, das in den Nordturm des World Trade Center gekracht sei. Bush und sein Stabschef Andrew Card gehen zu diesem Zeitpunkt von einem tragischen Unfall mit einem Kleinflugzeug aus, wie Card später erzählen wird. Der Präsident geht ins Schulzimmer einer zweiten Klasse und wohnt einer Vorlesestunde bei.
08.55 Uhr (New York), 14.55 Uhr (Zürich)
Etwa 1300 Menschen in den Stockwerken oberhalb der Einschlagstelle ist es unmöglich, zu fliehen. Das Flugzeug hat alle Treppenhäuser und Aufzugsschächte im Nordturm durchtrennt. Schon wenige Minuten nach dem Crash stürzen sich erste Personen aus Verzweiflung in die Tiefe.
Auch viele der rund 8000 Personen unterhalb der Einschlagstelle befinden sich in einer misslichen Lage. Die Türme sind nicht auf eine Massenevakuierung ausgelegt. Die Aufzüge sind nach der heftigen Explosion ausgefallen. Eine Flucht ist nur noch über drei schmale Notfalltreppen möglich. Während einige Angestellte von selbst mit der Evakuierung über die Treppen beginnen, bleiben andere in ihren Büros und warten auf Anweisungen.
Für zahlreiche Menschen unterhalb der Einschlagstelle ist eine Flucht nicht möglich. Der Einschlag des Flugzeugs und die anschliessende Explosion haben den Nordturm so stark in Schwingung versetzt, dass viele Türen in ihren Rahmen blockiert sind. Dutzende Personen sind in ihren Büros eingesperrt. Auch die Treppen sind zum Teil durch heruntergefallene Teile der Wand- und Deckenfassade versperrt.
Im Nachbargebäude, dem Südturm, beginnen viele Angestellte ebenfalls mit der Evakuierung. Doch über die Lautsprecheranlage des Gebäudes fordert sie die Hafenbehörde dazu auf, an ihren Arbeitsplätzen zu bleiben oder zu diesen zurückzukehren:
«Your attention, please, ladies and gentleman. Building Two is secure. There is no need to evacuate Building Two. If you are in the midst of evacuation, you may use the reentry doors and the elevators to return to your office. Repeat, Building Two is secure.»
Noch im Unwissen darüber, dass es sich um einen Terroranschlag handelt, wird der Südturm als «sicher» bezeichnet. Die Behörden wollen so einen Massenauflauf im Eingangsbereich und auf dem Platz des World Trade Center verhindern, damit die Rettungskräfte ungehindert zum brennenden Nordturm gelangen können. Doch nicht alle Angestellten befolgen die Anweisung und unterbrechen die Evakuierung.
08.59 Uhr (New York), 14.59 Uhr (Zürich)
Die Polizei ordnet die Evakuation beider Türme an. Eine Minute später wird der Befehl auf den gesamtem World-Trade-Center-Komplex ausgeweitet.
09.00 Uhr (New York), 15.00 Uhr (Zürich)
Ein Flugbegleiter des Flugs UA 175 informiert die Bodenkontrolle über die Entführung des Flugzeugs. Die Terroristen steuern auch dieses Flugzeug in Richtung des World Trade Center.
Mindestens drei Passagiere rufen kurz zuvor Familienmitglieder an, darunter Brian David Sweeney, der seiner Frau Julie folgende Nachricht übermittelt:
09.02 Uhr (New York), 15.02 Uhr (Zürich)
Im Südturm weist nun auch die Hafenbehörde über die Lautsprecheranlage eine «geordnete Evakuierung» an:
«May I have your attention, please. Repeating this message. The situation occurred in Building One. If the conditions warrant on your floor, you may wish to start an orderly evacuation.»
09.03 Uhr (New York), 15.03 Uhr (Zürich)
Die Boeing mit der Flugnummer UA 175 kracht in den Südturm des World Trade Center. Die Einschlagstelle reicht von Stockwerk 77 bis zu Stockwerk 85. Alle Flugzeuginsassen und eine unbekannte Anzahl Personen in den getroffenen Stockwerken sind auf der Stelle tot. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits etliche Fernsehkameras auf die Zwillingstürme gerichtet. Millionen von Menschen sehen den Einschlag des zweiten Flugzeugs live im Fernsehen. Ihnen wird schlagartig klar, dass es sich hierbei um keinen Unfall handelt.
Der Einschlag des Flugzeugs macht zwei der drei Nottreppenhäuser unpassierbar und durchtrennt einen Grossteil der Aufzugskabel. Zahlreiche Personen oberhalb der Einschlagstelle werden in den Aufzugskabinen eingeschlossen. In der Sky-Lobby im 78.Stock warten zu diesem Zeitpunkt schätzungsweise 200 Personen auf die Aufzüge. Bis auf zwölf Personen werden alle in dem Moment getötet, als die Flügelspitze des Flugzeugs die Lobby trifft.
Schätzungsweise 1400 der zirka 2000 Mitarbeiter, die in den Stockwerken oberhalb der Einschlagstelle gearbeitet hatten, haben zu diesem Zeitpunkt die Gefahrenzone bereits sicher verlassen. Für rund 600 Mitarbeiter kam die Aufforderung zur Evakuierung zu spät.
Kurz nach dem Aufprall stürzen sich auch aus dem Südturm die ersten Angestellten in die Tiefe. Wie viele auf diese Weise ums Leben kommen, ist nicht klar. Schätzungen reichen von 100 bis zu 200.
Eine einzige Fluchttreppe im Südturm ist weiterhin intakt. Wegen des dichten Rauchs wird sie jedoch von vielen nicht gefunden oder für unpassierbar gehalten. Nur 18 Personen aus den Etagen oberhalb der Einschlagstelle gelingt es, sich über diese Notfalltreppe in Sicherheit zu bringen. Dutzende von Personen machen sich stattdessen auf den Weg nach oben in der Hoffnung, auf das Dach des Gebäudes zu gelangen. Doch dort stehen sie vor verschlossenen Türen.
Lesen Sie hier unser Interview mit einer Überlebenden aus dem Südturm.
09.05 Uhr (New York), 15.05 Uhr (Zürich)
George W.Bush sitzt in der Vorlesestunde einer zweiten Klasse in Sarasota, Florida, als ihm sein Stabschef Andrew Card – wie dieser später erzählen wird – zuflüstert: «A second plane hit the second tower. America is under attack.» («Ein zweites Flugzeug hat den zweiten Turm getroffen. Amerika ist unter Beschuss.») Bush bleibt noch mindestens weitere fünf Minuten sitzen und hört den vorlesenden Schülern zu, ehe er den Klassenraum verlässt. Noch in der Grundschule wird er zu telefonieren beginnen.
09.05 Uhr (New York), 15.05 Uhr (Zürich)
Barbara Olson, Passagierin des American-Airlines-Flugs 77, den die Terroristen in Richtung Pentagon steuern, ruft ihren Ehemann aus der entführten Maschine an. Sie selbst ist eine bekannte Anwältin und Fernsehkommentatorin, ihr Mann ist US Solicitor General Theodore Olson, der oberste Anwalt der Vereinigten Staaten. Er informiert umgehend weitere Bundesbeamte über die Entführung.
09.21 Uhr (New York), 15.21 Uhr (Zürich)
09.30 Uhr (New York), 15.30 Uhr (Zürich)
Der Katastrophenstab der Stadt New York, der in Gebäude 7 des World Trade Center (WTC 7) untergebracht ist, wird evakuiert. Zuvor hat ein Mitarbeiter des Secret Service berichtet, es bestehe die Möglichkeit von weiteren entführten Flugzeugen.
09.30 Uhr (New York), 15.30 Uhr (Zürich)
Noch bevor George W.Bush die Grundschule in Florida verlässt, gibt der Präsident eine Erklärung ab. Er bezeichnet das Geschehene als nationale Tragödie und spricht erstmals von terroristischen Anschlägen. «Terrorism against our nation will not stand», («Terrorismus gegen unsere Nation wird nicht gewinnen»), betont Bush in seiner einminütigen Erklärung.
Fünf Minuten später wird er die Schule verlassen und sich auf den Weg zur Air Force One am Flughafen Sarasota Bradenton machen.
09.36 Uhr (New York), 15.36 Uhr (Zürich)
Agenten des Secret Service evakuieren den Vizepräsidenten Dick Cheney und bringen ihn zum Presidential Emergency Operations Center beim Weissen Haus.
09.37 Uhr (New York), 15.37 Uhr (Zürich)
Die Boeing mit Flugnummer AA 77 kracht in den Westflügel des Pentagons bei Washington. Es sterben 59 Menschen an Bord und 125 Mitarbeiter des Pentagons. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Angehörige der Army sowie der Navy.
Die Angestellten im Pentagon werden vom Anschlag völlig überrascht. Bis anhin hat niemand damit gerechnet, dass es auch ausserhalb New Yorks zu Angriffen kommen würde.
Zu diesem Zeitpunkt finden im Pentagon Renovierungsarbeiten statt. Viele Büros stehen deshalb leer. Von den 4500 Angestellten, die normalerweise im getroffenen Gebäudeflügel arbeiten, sind nur 800 anwesend.
09.42 Uhr (New York), 15.42 Uhr (Zürich)
Die Bundesluftfahrtbehörde (FAA) ordnet ein Grounding für sämtliche Flugzeuge über dem Luftraum der USA an. «Get those goddamn planes down!», soll Verkehrsminister Norman Mineta laut eigenen Angaben zuvor im Bunker unter dem Weissen Haus zu Vizepräsident Cheney gesagt haben. 4546 Flugzeuge befinden sich in diesem Moment über den Vereinigten Staaten in der Luft.
09.45 Uhr (New York), 15.45 Uhr (Zürich)
Das Weisse Haus und das Capitol werden evakuiert. Die Befürchtung liegt nahe, sie könnten weitere Anschlagsziele darstellen.
Im ganzen Land schliessen Polizeibeamte diverse öffentliche Gebäude und Brücken aus Angst vor weiteren Attacken.
09.54 Uhr (New York), 15.54 Uhr (Zürich)
Die Air Force One mit Präsident Bush an Bord startet am Flughafen Sarasota Bradenton in Florida – ohne klares Ziel. Der Präsident zieht es zunächst vor, nach Washington zurückzukehren. Seine Mitarbeiter hingegen empfehlen den Luftwaffenstützpunkt Barksdale in Louisiana als geeigneten und sicheren Ort für die Landung.
09:57 Uhr (New York), 15:57 Uhr (Zürich)
Fünf Stockwerke des getroffenen Flügels des Pentagons stürzen infolge der schweren Brände ein.
09.58 Uhr (New York), 15.58 Uhr (Zürich)
Noch befindet sich der ebenfalls entführte United-Airlines-Flug 93 in der Luft. 13 Passagieren und Besatzungsmitgliedern gelingt es, Behörden oder Angehörige anzurufen. Insgesamt werden 37 Telefonanrufe getätigt. Auch der Passagier Mark Bingham ruft seine Mutter Alice Hoagland an und informiert sie über die Entführung. Als die Verbindung abbricht, wählt Binghams Mutter die Notrufnummer 911. Sie wird ans FBI weitergeleitet, das sie über die Geschehnisse unterrichtet. Hoagland hinterlässt ihrem Sohn anschliessend mehrere Nachrichten auf seinem Mobiltelefon. Sie erklärt ihm, dass die Entführer womöglich einen Selbstmordanschlag planten, und ermutigt ihn und die anderen Passagiere, die Kontrolle über die Maschine zu übernehmen.
Einer der letzten Anrufe von Flug 93 stammt vom Passagier Edward P.Felt. Er hat sich in einer Bordtoilette eingeschlossen und wählt mit seinem Mobiltelefon die Notrufnummer 911. Als die Maschine tief genug fliegt, gelingt es ihm, die Notrufzentrale im nahe gelegenen Westmoreland County in Pennsylvania zu alarmieren.
09.59 Uhr (New York), 15.59 Uhr (Zürich)
Der Südturm des World Trade Center (WTC 2) stürzt ein, nachdem er 56 Minuten in Brand gestanden hat. Der Zusammensturz dauert nur 10 Sekunden. Zahlreiche Feuerwehrleute befinden sich zu diesem Zeitpunkt in den Treppenhäusern auf dem Weg nach oben. Über 600 Menschen im und um das Gebäude kommen beim Einsturz ums Leben.
Dianne DeFontes, Rezeptionistin einer Anwaltskanzlei, befindet sich in einem Treppenhaus im Nordturm auf dem Weg nach unten, als der Südturm einstürzt. Später wird sie folgendermassen davon erzählen:
«[...] This tremendous roar. And the stairway shook. [...] I’ve never been in an earthquake, but I can imagine that’s what it’s like. [...] no one said a word. It was silence until the noise had stopped. And that’s when we were very afraid. [...] you could see the fear in people’s faces.»
(«[...] Dieses gewaltige Dröhnen. Und die Treppe bebte. [...] Ich habe noch nie ein Erdbeben erlebt, aber ich stelle mir vor, dass es sich so anfühlt. [...] Niemand sagte ein Wort. Es war still, bis der Lärm aufhörte. Und das war der Moment, als wir grosse Angst bekamen. [...] Man konnte die Angst in den Gesichtern der Leute sehen.»)
Der Einsturz des Turms beschädigt mehrere Gebäude in der näheren Umgebung und hüllt Lower Manhattan in eine dunkle Staubwolke.
09.59 Uhr (New York), 15.59 Uhr (Zürich)
Zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte werden Verfahren zur Kontinuität der Regierung («continuity of government») vollzogen. Diese sollen der Regierung ermöglichen, ihre wesentlichen Tätigkeiten im Falle einer Katastrophenlage fortzuführen, und hochrangige Regierungsmitglieder schützen.
10.03 Uhr (New York), 16.03 Uhr (Zürich)
Der ebenfalls entführte United-Airlines-Flug 93 stürzt in der Nähe von Shanksville, Pennsylvania, ab. Was zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt ist: Die Passagiere und die Crew haben zuvor das co*ckpit gestürmt und damit einen weiteren Anschlag verhindert. Alle Insassen (7 Crewmitglieder, 33 Passagiere und 4 Entführer) kommen ums Leben. Der Absturzort ist etwa 20 Minuten Flugzeit vom vermuteten Anschlagsziel in Washington entfernt.
10.28 Uhr (New York), 16.28 (Zürich)
Auch der Nordturm des World Trade Center (WTC 1) kollabiert, 102 Minuten nachdem das Flugzeug eingeschlagen ist. Mehr als 1400 Menschen in und um das Gebäude kommen ums Leben.
11.02 Uhr (New York), 17.02 Uhr (Zürich)
New Yorks Bürgermeister Rudy Giuliani ordnet die Evakuierung von ganz Lower Manhattan an. Tausende von Menschen machen sich zu Fuss auf den Weg aus der Stadt, weitere werden per Boot evakuiert.
12.16 Uhr (New York), 18.16 Uhr (Zürich)
Das letzte Flugzeug landet, nachdem der gesamte amerikanische Luftraum gesperrt worden ist. In den vorangehenden zweieinhalb Stunden sind rund 4500 Flugzeuge zur Landung gezwungen worden. Tausende Passagiere sind gestrandet. Wer die Reise per Zug, Bus oder Mietwagen fortsetzen will, muss schnell sein: Innert weniger Stunden sind die meisten Angebote ausverkauft oder gestrichen.
12.30 Uhr (New York), 18.30 Uhr (Zürich)
14 Überlebende werden aus den Trümmern des Nordturms geborgen. Es handelt sich um 13 Rettungskräfte und eine Angestellte aus dem World Trade Center. Sie haben zunächst versucht, über das Treppenhaus B aus dem Wolkenkratzer zu gelangen. Beim Einsturz befinden sie sich im unteren Teil des Treppenhauses. Sie überleben, weil genau jener Abschnitt, in dem sie sich befinden, intakt bleibt.
12.45 Uhr (New York), 18.45 Uhr (Zürich)
Die Air Force One mit Präsident George W.Bush und mehreren seiner Mitarbeiter an Bord landet auf der Barksdale Air Force Base in Louisiana (Ortszeit: 11 Uhr 45). Auf der Suche nach einem sicheren Ort wird sie kurze Zeit später wieder abheben. Das Ziel: unbekannt.
13.15 Uhr (New York), 19.15 Uhr (Zürich)
Augenzeugen in Manhattan stehen unter Schock. Mehrere Videoaufnahmen fangen die Reaktionen von Passanten ein.
13.45 Uhr (New York), 19.45 Uhr (Zürich)
Die Spitäler in New York rufen zum Blutspenden auf und bieten sämtliches verfügbare Pflegepersonal in New York auf. Hunderte Menschen folgen dem Aufruf zum Blutspenden: Das New York Blood Center schätzt die gespendete Menge später auf 36000 Einheiten (je 200 bis 300 Milliliter) Blut.
Wenig später werden in den Spitälern New Yorks etwa 600 Opfer der Anschläge behandelt, mindestens 150 von ihnen befinden sich in einem kritischen Zustand.
14.00 Uhr (New York), 20.00 Uhr (Zürich)
In New York sind die Bergungsarbeiten weiterhin in vollem Gange. Ersthelfer, Such- und Rettungsteams sowie Freiwillige suchen den ganzen Tag weiter nach Überlebenden. Doch die Hoffnung schwindet in den noch immer rauchenden Trümmern von Stunde zu Stunde.
Der Ort, wo das World Trade Center noch wenige Stunden zuvor stand, wird von manchen Rettungskräften und Journalisten bereits «Ground Zero» genannt. Ein Begriff, der normalerweise verwendet wird, um die Verwüstungen zu beschreiben, die durch eine Atombombe verursacht worden sind. Er wird in Zukunft untrennbar mit dem Ort in Manhattan verknüpft sein.
Lesen Sie hier unsere Reportage von Ground Zero im Jahr 2021.
15.00 Uhr (New York), 21.00 Uhr (Zürich)
Ein weiterer Überlebender wird aus den Trümmern des World Trade Center gerettet. Es handelt sich um einen Mitarbeiter der Hafenbehörde. Als der Turm über ihm einstürzte, befand er sich auf dem Weg nach unten, irgendwo zwischen dem 22. und dem 13.Stockwerk. Beim Kollaps kauerte er nach eigenen Angaben in der Embryostellung auf den Boden. Stunden später wachte er auf einer Platte in den Trümmern auf – nur viereinhalb Meter über dem Boden.
Solche Fälle sollten die Ausnahme bleiben. Nur 18 Personen werden insgesamt lebend aus den Trümmern der Zwillingstürme geborgen werden. Die letzte Rettung eines Überlebenden wird am Mittag des 12.Septembers gelingen.
15.50 Uhr (New York), 21.50 Uhr (Zürich)
Die Air Force One landet auf der Offutt Air Force Base in Nebraska (Ortszeit: 14 Uhr 50), um kurze Zeit später den Flug fortzusetzen. Der Aufenthaltsort des Präsidenten ist zu jenem Zeitpunkt geheim. Noch an diesem Abend wird Bush nach Washington weiterreisen und mit einem Helikopter zum Weissen Haus zurückkehren.
17.20 Uhr (New York), 23.20 Uhr (Zürich)
Das Gebäude 7 des World Trade Center (WTC 7) stürzt ein, nachdem es von herabstürzenden Trümmerteilen der Zwillingstürme schwer beschädigt wurde und über Stunden gebrannt hat. Personen kommen dieses Mal nicht zu Schaden: Der 47-stöckige Wolkenkratzer ist bereits während der Anschläge vollständig evakuiert worden.
Der Einsturz des Gebäude 7 wird in den folgenden Jahren zur Grundlage für eine Vielzahl von Verschwörungstheorien. Lesen Sie hier unseren Hintergrund dazu.
20.30 Uhr (New York), 02.30 Uhr (Zürich)
Präsident Bush wendet sich aus dem Weissen Haus an die Nation und kündigt Vergeltung für die Anschläge an.
«The search is underway for those who are behind these evil acts. I’ve directed the full resources of our intelligence and law enforcement communities to find those responsible and to bring them to justice. We will make no distinction between the terrorists who commited these acts and those who harbor them.»
(«Die Suche nach denen, die hinter diesen bösen Taten stecken, ist im Gange. Ich habe unsere Geheimdienst- und Strafverfolgungsbehörden angewiesen, die Verantwortlichen zu finden und sie vor Gericht zu bringen. Wir werden keinen Unterschied machen zwischen den Terroristen, die diese Taten begangen haben, und denen, die ihnen Schutz gewähren.»)
Neun Tage später wird George W.Bush vor dem Kongress den «Krieg gegen den Terror» ausrufen. 26 Tage nach den Anschlägen werden die USA gemeinsam mit Grossbritannien Afghanistan aus der Luft bombardieren – das Land, in dem al-Kaida Terroristen ausbildet und auf den Schutz des Taliban-Regimes zählen kann.
Lesen Sie hier unseren Hintergrund über die Entwicklung des islamistischen Terrors seit 9/11.
Die Bilanz des 11.Septembers 2001 bleibt bitter: Die Anschläge kosten insgesamt 2977 Menschen das Leben – die 19 Attentäter nicht mitgezählt. 2606 Menschen werden im Bereich um das World Trade Center getötet, 265 in den Flugzeugen und 125 im Pentagon.
Die Todesopfer stammen insgesamt aus 115 verschiedenen Ländern. Drei von vier sind Männer. Das «New York Magazine» schätzt 2014, dass 20 Prozent aller Amerikaner jemanden kennen, der bei den Anschlägen von 9/11 getötet oder verletzt wurde.
Zusätzlich zu den 2751 Menschen, die unmittelbar bei den Anschlägen ums Leben kommen, werden offiziell auch jene Personen hinzugezählt, die zum Teil erst Jahre später infolge Krankheiten durch eingeatmeten Staub und die darin enthaltenen Schadstoffe der eingestürzten Zwillingstürme sterben.
Manche Schäden werden erst Jahre später deutlich: 2013 gibt die Gesundheitsbehörde von New York bekannt, dass 1140 Menschen, die zum Zeitpunkt der Anschläge in Lower Manhattan gelebt oder gearbeitet haben, an Krebs erkrankt sind, nachdem sie giftigem Staub aus Ground Zero ausgesetzt waren. 422000 Menschen kämpfen Monate oder Jahre später noch mit posttraumatischen Belastungsstörungen als Folge der Anschläge.
Am Abend des 11.Septembers 2001 ist der Himmel über Manhattan von einer dichten Staubwolke verdeckt. Der Luftraum über den USA bleibt drei Tage lang für internationale Flüge gesperrt.
Die Vorwahlen werden auf den 25.September verschoben. Alle bereits abgegebenen Stimmen werden annulliert. Die Wahl wird unter völlig neuen Voraussetzungen stattfinden, zumal nicht mehr genügend Polizisten zur Überwachung sämtlicher Wahllokale zur Verfügung stehen und jene Firma, welche die Zettel zur Wahlregistrierung druckt, im World Trade Center ansässig war. Vier Monate später wird Michael Bloomberg – vorübergehend als Republikaner – im Büro des Bürgermeisters Platz nehmen.
Der Finanzdistrikt verliert auf einen Schlag 1,4 Millionen Quadratmeter Bürofläche und gegen 100000 Stellen. Die New Yorker Börse liegt nur wenige hundert Meter von Ground Zero entfernt. Nach 9/11 wird sie sechs Tage geschlossen bleiben.
Statt der Türme prägt nun der Rauch die Skyline von Manhattan. Ground Zero wird 99 Tage lang brennen.
Passend zum Artikel
Dominic Nahr
Andreas Rüesch
Andreas Rüesch
6 min
Christof Leisinger
Andreas Mink, New York
